Feb 262019
 

Von Marie Schilp und Jonathan Boese

Das Workshop-Angebot am Samstag bei Chor@Berlin deckte vielfältige Themengebiete ab, von Kindermusical bis hin zu zeitgenössischer Vokalmusik. Unser Blogbeitrag gibt Einblicke in drei Workshops.

Oberton- und Kehlgesang

Der Samstagmorgen bei Chor@Berlin startete mit einem Workshop zu Oberton- und Kehlgesang. Konrad Zeiner ist seit 2001 Mitglied der Vocal Band Slixs und hat sich in diese speziellen Techniken eingearbeitet, um das Klangarsenal des Ensembles zu erweitern (hier live im Konzert zu hören). Ein gesungener Ton besteht nicht nur aus diesem einen Ton, den unser Gehirn herausfiltert, sondern aus mehreren Dutzend Teiltönen. Indem geübte ObertonsängerInnen mit der Zungenspitze einen zweiten Resonanzraum in der Mundhöhle schaffen, können sie einzelne Töne aus diesem Obertonspektrum eines Grundtons herausfiltern, wodurch der Eindruck entsteht, sie sängen zwei Töne gleichzeitig. Mit jahrelangem Training wird es so möglich, mit Obertönen eine Melodie zu singen und sich mit den Grundtönen selbst zu begleiten.
Beim Kehlkopfgesang schlagen die Stimmlippen in hoher Geschwindigkeit gegeneinander, ähnlich dem „Vocal Fry“, wodurch sozusagen ein Untertongesang eine Oktave darunter entsteht. Diese Technik funktioniert bei tiefen Stimmen besonders gut, denn je tiefer die natürliche Stimmlage ist, desto weniger Druck muss man aufwenden, um den Unterton zu erzeugen. Dennoch gibt es Frauen, wenn auch wenige, die Kehlkopfgesang praktizieren.

Im ersten Video probieren sich die Workshop-TeilnehmerInnen gerade am Obertongesang, während Konrad Zeiner mit Kehlgesang begleitet. Im zweiten Video ist der Kehlgesang noch einmal solo zu hören.

Percussion mit Körper und Stimme

Im Anschluss erarbeitete Thomas Piontek, ebenfalls Mitglied der Slixs, in seinem Workshop Perkussionsmöglichkeiten mit Körper und Stimme. Neben Bodypercussion-Elementen (Video 1) standen dabei auch Sprachspiele auf dem Programm. So entwickelten die TeilnehmerInnen einen Text aus guten Wünschen, den sie in Gruppen auf bestimmten Zählzeiten sangen, wodurch eine spannende Begleitung für ein Geburtstagsständchen entstand (Video 2).

Vox populi?! Der Klang der Demokratie

Mit unkonventionellen Ästhetiken neue Zugänge zu einer zeitgenössischen Vokalpraxis zu schaffen, das ist das erklärte Ziel des Dresdner Ensembles AuditivVokal. Bei Chor@Berlin stand das Projekt „Vox populi?! Der Klang der Demokratie“ im Fokus eines Workshops. „Wie können wir Chorformate anbieten, abseits der Homogenität, hin zur Vielfalt“, formulierte Olaf Katzer, Künstlerischer Leiter des Ensembles, eine zentrale Frage des Workshops. Für Katzer und seinen Chor ist das eine Aufgabe mit politischer Dimension: Es gehe um Demokratie, um Vielfalt und ein gleichberechtigtes Mitwirken aller. Weg von der Einheitlichkeit, der absoluten Bestimmung des Dirigenten über den Chor, hin zur Selbstbestimmtheit der einzelnen SängerInnen, zu einer Vielfalt der Möglichkeiten und zu einem Gemeinschaftsgefühl, in dem jeder Verantwortung trägt – so, wie er ist.
Das Projekt „Vox populi?!“ entstand zur chor.com 2017, den KomponistInnen wurde damals freie Hand gelassen. So entstanden 11 Werke, die den Anspruch hegen, für Profis wie auch für Laien spannend zu sein. In Bürger-Sing-Stunden sang das Ensemble die Werke gemeinsam mit den BesucherInnen – in Workshops soll nun die Idee des Projekts und ein Grundverständnis zum Singen zeitgenössischer Musik verbreitet werden.
AuditivVokal-Mitglied Carl Thiemt gab den Workshop-Teilnehmenden eine Einführung in die in zeitgenössischer Musik verwendeten Stimmtechniken. „Wir verlassen unsere Komfortzone und Text- und Sprachbeziehungen. Das sieht dann erst mal verrückt aus. Da muss man sich reindenken“, erklärt Thiemt.
Mit dem entsprechenden Wissen zur Gesangstechnik können auch von Laien schnell skurrile Laute erzeugt werden. Einen grundlegenden Ratschlag gibt Chorleiter Olaf Katzer: „Nicht mit Druck gegen Widerstände arbeiten. Unser System weiß besser Bescheid als wir, was geht.“ Ein Tipp, um die Stimme vor diesem Druck zu schützen, sei das Singen beim Einatmen. Gleichzeitig könnten damit einfach ungewohnte Klänge erzeugt werden. „Das tut nicht weh“, beteuert Profisänger Carl Thiemt, „das klingt nur so.“