Wer versucht hätte, alle 30 Konzerte an neun Spielstätten bei dieser Nacht der Chöre mitzuerleben, wäre zum Scheitern verurteilt gewesen. Die Fülle und die Vielfältigkeit des Angebots war einfach zu groß. Daher war die größte Kunst des Abends die der sorgfältigen Auswahl – gepaart mit dem Mut zur Lücke. Foto: Christoph Müller-Girod
St. Reinoldi war einer der möglichen Startpunkte der Reise durch die Klangnacht: Der Deutsche JugendKammerChor unter der Leitung von Robert Göstl präsentierte Geistliche Chormusik aus fünf Jahrhunderten. Den Kontrast zwischen Neu und Alt setzte man direkt zu Beginn des Programms: “Verleih uns Frieden gnädiglich” aus der Geistlichen Chormusik von Schütz kontrastierte man mit der Vertonung Hugo Distlers, dessen raffinierte Rhythmik schon den einen oder anderen Chorsänger schlaflose Nächte bereitet haben dürfte.
In St. Marien war eine Uraufführung zu hören und damit auch die Geburt eines neuen Genres: “Konzert für Klavier und Chor” von Tobias Forster, gesungen vom Kammerchor I Vocalisti. Das dreiteilige Werk beruht auf Texten von Charles Antony Silvestri, der auch schon für Eric Whitacre viele Texte geschrieben hat. “Faith”, “Beauty” und “Hope” sind die drei Teile betitelt. Chor und Klavier als Soloinstrumente zu behandeln – ein interessantes Experiment, das bei dem mit Jazz- und Gospel-Elementen versehenem Werk aufging. Dabei gibt hier nicht so sehr das klassische Klavierkonzert die Form vor, bei dem das Klavier spielt und das Orchester schweigt. Vielmehr sind beide Teilnehmer an diesem Konzert gleichberechtigte Partner. Bisweilen aber gönnt sich Tobias Forster sehr ausdehnende Kadenzen, wie improvisiert wirkende Klangketten – wie ein Solist in einem Jazz-Stück.
Die große Ökumene, die Wolf Biermann für Gläubige und Nichtgläubige forderte, fand zumindest für die Dauer eines Liedes in St. Reinoldi statt: Bei der Zugabe. Dort sang Biermann ein Lied, welches er auch schon beim Ökumenischen Kirchentag in Berlin vorgetragen hatte. Vorher aber gab es Biermann pur, im Wechsel mit dem Kammerchor der Hochschule für Musik Detmold. Original und Fälschung sozusagen: Zunächst Biermanns Lieder in der eigenen Interpretation mit Gitarre, anschließend die Chorfassung. Schwieriger als das Kürzen ist immer noch das Hinzuerfinden. Umso schöner, dass die Arrangements zu “Paar eckige Runden drehn” oder “Ich Glückskind” nicht nur gelungen sind, sondern auch den Geist der Lieder Biermanns erfasst haben.
Was Maybebop nicht im Konzert singen: “Caravan of Love”, “Wimowe (The Lion Sleeps Tonight)” oder “Don’t Worry Be Happy.” Im Konzerthaus Dortmund brauchten sie das auch gar nicht, das sangesbegeisterte Publikum hätte glatt die Verhältnisse umgedreht. Maybebop präsentieren lieber frischfreche Texte mit eigenen Arrangements, bei denen die Teilnehmer des chor.com-Workshops das eine oder andere Stilmittel der “Beatbox” wiedererkannt haben dürften. Eindrucksvoll die Version von Zelters “Es war ein König in Thule”. Gemeinhin gilt das tiefe Sarastro-E – “In diesen heilgen Hallen”, Zauberflöte – schon als Herausforderung, aber man darf annehmen, dass hier durchaus das tiefe C erreicht worden ist.
Bevor gregorianische Choräle in St. Reinoldi ertönten, war Vox Bona dort zu Gast – “Mutter – Erde; Vater – Sonne” war ein Programm mit geradezu außerirdischen Dimensionen. Zumindest wurden diese im Stück “Juppiter” von Michael Ostrzyga erreicht. Hohe Pfeif- und Flötentöne vermischt mit einem teilweise klassisch anmutenden Satz, der aber ab und an auch dezent Ausflüge in die Richtung der modernen Musik machte. Die Schola Cantorum München beendete dann die Nacht der Chöre mit “gregorianischen Chorälen zur Mitternacht.”
Ausschnitte aus dem Proprium des 25. Sonntags im Jahreskreis waren zu hören, Auszüge aus dem Proprium der Erzengel und zum Schluss Mariengesänge. All das passte vorzüglich in die St. Reinoldi Kirche, der nach ihrem Gründungsdatum ältesten Stadtkirche Dortmunds – wenngleich die Mauern, die das Konzert beherbergten, erst 1250 erbaut worden sind. Und damit natürlich vermutlich keine gregorianischen Mönche, die um Mitternacht das Lob Gottes sangen, gekannt haben dürften. Doch der Klang der jungen Männerstimmen wird die Besucher gelassen und ruhig in die Nacht begleitet haben – wie vor Jahrhunderten die Mönche der ehemals katholischen Stadtkirche.
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