Jan 142011
 
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Das Radialsystem V wird von Berliner Chören zum Klingen gebracht. Dabei geht es abwechslungsreich zu, auf dem Programm stehen Werke von Schütz und Bach neben denen von Weill und Rammstein. Acht Chöre werden an diesem Abend insgesamt im ausverkauften Radialsystem V zu hören sein.

Mit dem amerikanischen Folksong „Shenandoah“ eröffnete der gemischte Chor „Die Primaner“ die Nacht der Berliner Chöre. Seit 1995 hat Jan Olberg die Leitung des Chores, der am Georg-Friedrich-Händel-Gymnasium in Berlin-Friedrichshain beheimatet ist. Ebenfalls seit 1995 hat sich der Chor den Namen „Die Primaner“ gegeben, die Sänger und Sängerinnen sind 15 bis 20 Jahre alt. Ihr Programm hatte ein breites Spektrum – „Jauchzet dem Herrn“ von Felix Mendelssohn Bartholdy , das bayerische Volkslied „Als wir jüngst in Regensburg waren“, Hugo Distlers Bearbeitung von „Es geht ein dunkle Wolk herein“. Eine Reise durch alle Chorzeiten und alle Kompositionsstile, die auch zeitgenössische Komponisten wie Edwin Fissinger oder Marc Lavry nicht aussparte.

Eine komplette Bachmottete für Doppelchor – BWV 225 „Singet dem Herrn ein neues Lied“ – folgte. Was nicht verwundern darf, sind die Aufführungen von Oratorien, Passionen und Kantaten des Barocks bis zur Moderne ein Schwerpunkt der Berliner Domkantorei. Das Besondere an diesem Chor: Er ist übergemeindlich, gehört also keiner direkten Kirchengemeinde an. Geleitet wird sie vom Domkantor Tobias Brommann. Bachs Kantate „Singet dem Herrn ein neues Lied“ fordert im mitreißendem Eingangschor mit den immer wieder neu betontem „Singet“ den Zuhörer auf, einzustimmen in das Lob Gottes. Der Wechselgesang im zweiten Satz – die dritte Strophe von „Nun lob mein Seel den Herren“ wird durch den Text einer Aria unterbrochen – betont die Zuversicht des Glaubenden an Gott. Abschließend dann Verse aus dem 150. Psalm, der den Beginn der Motette nochmal aufgreift: Alles was Odem hat, lobe den Herrn.

Von Bach und zwei Volksliedern führte der Abend in die Romantik: Schumann, Brahms und Gade waren der Schwerpunkt des Programms der Berliner Capella. Dabei führt der Chor unter der Dirigentin Kerstin Behnke auch neue und unbekannte Kompositionen auf. Brahms „Sieben deutsche Volkslieder“ und Auszüge aus Schumanns „Romanen und Balladen“ umrahmten dabei die Komposition „Die Wasserose“ von Niels Wilhelm Gade. Allerdings verschwimmt die Grenze zwischen Kunst- und Volkslied bei Brahms desöfteren – „Verstohlen geht der Mond auf“ geht vermutlich mit Text und Melodie auf Zuccmagalio zurück. Immerhin schätzte Brahms die Melodie so sehr, dass er sie zweiten Satz seiner Klaviersonate in C-Dur op.1 verwendete. Bei „Der König von Thule“ hat man meistens die Melodie von Zelter im Ohr. Schumanns Fassung spürt dem dramatischem Aufbau des Gothe Textes nach – sogar mit hörbarem Unbehagen als es ans Zählen der Reiche geht. Ob Zelter, Schumann oder Schubert ist letzten Endes aber dann doch Geschmackssache.


© Christoph Mueller-Girod

Ungewöhnliche Töne im wahrsten Sinne des Wortes – ein Programm übertitelt mit „Die Deutschen – deutsch-deutsche Chormusik 1950 bis 2000“ ist tatsächlich dieses: Ungewöhnlich. Der 1993 gegründete Kronenchor Friedrichstadt zusammen mit Sprecher Andreas Walbaum brachte Kompositionen von zeitgenössischen Komponisten wie Gunther Erdmann, Siegfried Matthus oder Siegmar Faust zu Gehör. Unter der Leitung von Marie-Louise Schneider werden geistliche und weltliche Kompositionen quer durch die Epochen der Musikgeschichte aufgeführt. Zum 20-jährigen Jubiläum der deutschen Wiedervereinigung betrachtete der Kronenchor die deutsch-deutsche Geschichte aus einem musikalischen Blickwinkel und studierte Werke von Komponisten aus beiden deutschen Staaten ein. Ein Wechsel zwischem Bekanntem, zwischen A-Capella-Werken dem Kästner-Epigramm für Chor, Klavier und Klangerzeuger. Aufregend und faszinierend stehen diese Werke im geschichtlichem Spannungsfeld.

 

Männerchöre verbindet man mit der Romantik. Mit Silcher. Oder Schubert. Dabei gibt es durchaus auch Klangkörper, die Altes und Neues verbinden. So der Männerchor des Staats- und Domchores Berlin. 2010 entstanden im Rahmen des Projekts “Variations sérieuses“ neue Chorkompositionen, die an diesem Abend zu hören waren. Doch auch Distler oder Weills selten gehörtes Stück „Zu Potsdam unter den Eichen“ wechselten sich mit den neuen Stücken von Asmus Trautsch oder Sebastian Elikowski Winkler ab. Unterstützt wurde der Chor an diesem Abend vom der Tavola di Canto, einem Vokalensemble für Neue Musik. Wobei der Titel des letzten Stückes zum Amüsement der Zuhörer beitrug: „Als der Karpfen weise kackte“…

Zwei Renaissance-Werke wurden anschließend zwei moderneren Stücken gegenübergestellt. Schütz’ „Deutsches Magnifikat“, Sweelincks „Psalm 111“ – Pärts „Magnificat“ und Andres Attalas „In einem kühlem Grunde“. Der Chor des Jungen Ensembles Berlin bot diese Kontraste. Er besteht aus etwa 80 musikbegeisterten Studenten, Schülern und jungen Berufstätigen im Alter von 18 bis 40 Jahren. Seit 1998 leitet ihn Frank Markowitsch. Die Konzerttätigkeit des Chores erstreckt sich dabei auch ins Ausland. 2007 reiste der Chor nach Istanbul und wurde nach erfolgreichen Konzerten für das Frühjahr 2010 zu einem weiteren Konzertaufenthalt an den Bosporus eingeladen. Für diese Reise vergab der Chor eigens einen Kompositionsauftrag für ein zeitgenössisches Werk an den Komponisten Jeremias Schwarzer unter dem Thema Images of Light. Dieses Projekt war bereits die dritte Schulkooperation.

Das ensemberlino vocale ist ein Berliner Kammerchor mit Vorliebe für anspruchsvolle A-cappella-Musik von der Renaissance bis zur Gegenwart. Gelegentlich führt der Chor auch Oratorien und experimentelle Projekte mit Instrumentalensembles auf. Experimentell war der erste Teil des Programms nicht, aber Brahms „Fest- und Gedensprüche“ in einer Fassung für Chor und Saxophonquartett zu erleben – das ist auf jeden Fall schon faszinierend. Als Begleitung des Chores war das clair obscure Saxophonquartett zu erleben. Sergej Rachmaninows „Concerto for Choir“ war als zweite Stück zu hören – eines der frühen Werke des Komponisten.

Wenn die Fabulous Fridays, der Jazz-Pop-Chor an der Universität der Künste Berlin (UDK) anfangen „Engel“ von Rammstein zu intonieren – dann muss man sich erstmal kneifen. Schließlich ist der brachiale Sound der Band eigentlich nicht gerade ideal für einen Chor. Aber die Faboulous Fridays haben den Song perfekt bearbeitet so dass man ihn in der Chorfassung kaum wiedererkennt. Zum Repertoire des Abends gehörte – irgendwie wohl unvermeidlich, wenn man in Berlin ist – die „fabulous Story of Bolle“. Ein Jazz-Pop-Chor, der nicht improvisiert? Undenkbar. Deswegen boten die Fabulous Fridays eine Kostprobe ihrer Kunst in diesem Bereich. Ein eleganter und schöner Abschluss der langen Nacht der Berliner Chöre.

  2 Responses to “Nacht der Berliner Chöre”

  1. Dickes Lob an das Redaktionsteam Müller-Girod/Spließ! Ihr seid unheimlich schnell, fast im Echtzeitmodus…und mit unterhaltsam Beiträgen! Freue mich auf morgen und vielen Dank für die Zusammenarbeit!

  2. Ihr seid unglaublich! Danke!