Feb 262019
 

Von Marie Schilp und Jonathan Boese

Auch der Sonntag und damit letzte Tag bei Chor@Berlin hatte noch einmal einige interessante Themen von individuellem Chorleiter-Coaching bis hin zu Social Media zu bieten. Auch nicht fehlen durfte der „Ich-kann-nicht-singen-Chor“, der seit der ersten Festivalausgabe 2011 geübte Chorenthusiasten und AnfängerInnen zusammenführt, um gemeinsam zu singen.


Chorpädagogische Methoden in der musikalischen Sozialarbeit

Wie kann man Kinder zum Singen bewegen? Dieser Frage ging Maximilian Stössel in seinem Workshop am Sonntagmorgen nach. Gemeinsam mit den TeilnehmerInnen erprobte er verschiedene Rhythmus- und Singspiele, die als Eisbrecher dienen und bei Kindern Interesse am Singen wecken können. Zusätzlich zur musikpädagogischen Praxis gab Stössel vor allem auch Einblick in theoretische Überlegungen aus Wissenschaft und Forschung, denn: „Es ist wichtig, psychologische Phänomene zu kennen, damit man selbst Methoden für die Praxis entwickeln kann – je nachdem, mit welchen Kindern man arbeitet.“
So lernten Kinder viel schneller und nachhaltiger von Gleichaltrigen anstatt von Erwachsenen, die nicht als Teil der Gruppe anerkannt werden. „Klar, wenn ich mit Opernsängern in eine Klasse gehe, dann sehe ich erst mal leuchtende Kinderaugen“, so Stössel. „Aber dann gibt es einen Effekt, den ich eigentlich vermeiden will. Die Kinder finden das zwar toll, aber die Reaktion ist: Das schaffe ich nie.“ In dem Projekt „Eine (Musik)Schule für alle“ arbeiten Schulen daher mit einer Musikhochschule zusammen, um SchülerInnen zu GesangspatInnen auszubilden. Diese können dann von Lehrerkräften „gebucht“ werden, um kurze Singeinheiten inklusive Solmisation und Bodypercussion in den Klassen durchzuführen. Die GesangspatInnen dienen damit als Vorbild und können MitschülerInnen leichter zum Mitmachen animieren.
Beim Thema Konzeption von Mitsingformaten betonte Maximilian Stössel, wie wichtig es sei, kontinuierlich verschiedene Schwierigkeitsstufen anzubieten und miteinander zu kombinieren. „Dann können die Kinder, die sich langweilen, schon die nächste Stufe lernen, während die anderen mit der niedrigeren Stufe weitermachen. So kann man alle mitnehmen.“ Stössel stellte dazu eine Silbenfolge vor, um Rhythmen leichter fassbar zu machen. „Di“ steht dabei für Viertel, „Da“ für Achtel und „Ge“ für Sechzehntel. So entsteht zum Beispiel die Silbenfolge „Di-Ge-Da-Ge“ für vier Sechzehntel auf eine Viertel. „Damit kann man schon viele Rhythmen abdecken“, sagte Stössel und fügte schmunzelnd hinzu: „Das kann man zum Beispiel auch gut nehmen, um Koloraturen in Bach-Motetten zu üben.“

Heute schon gevoxboxt? Virales Storytelling in der Chor- und A-cappella-Szene

„Für Chöre geht es darum, im Digitalen erkennbar zu werden und zu bleiben“, sagte Nina Ruckhaber zu Beginn ihres Workshops am Sonntagvormittag. Die Veranstaltungsmanagerin betreibt den Vokal-Blog „Ninas VoxBox“ und konnte den Teilnehmenden so Marketing-Tipps aus ihrer eigenen Praxis mitbringen. Bei ihrer Arbeit setzt sie auf Soziale Netzwerke, besonders auf Facebook: Zwar würde die Jugend Facebook zunehmend als uncool empfinden, weil dort auch die Eltern aktiv seien, dennoch bleibe Facebook aber für Chöre weiterhin der interessanteste Dienst, erklärt Ruckhaber: „Unsere Szene ist nicht bei Instagram.“
Grundsätzlich gelte, die Texte für solche Plattformen sollten möglichst kurz und prägnant sein, erfolgreicher seien Bilder und Videos. „Je weniger Text, desto besser“, erklärte Ruckhaber. Die Social-Media-Präsenz eines Chores wird dann besonders interessant, wenn auf Storytelling gesetzt wird, das heißt, es wird um die zu vermittelnden Informationen herum eine Geschichte zum Chor erzählt. „Geschichten machen Marken lebendig, weil Menschen Geschichten lieben. “

Nina Ruckhabers Tipps:

  • Logo und einheitliches Farbkonzept entwickeln
  • Kurze, prägnante Texte schreiben
  • Bilder verwenden, die Menschen zeigen
  • Beste Uhrzeit für Postings: Sonntags zwischen 17 und 18 Uhr
  • Grundsätzlich aber häufiger und vor allem regelmäßig posten
  • Immer an die Zielgruppe denken
  • Gesamten Chor in die Arbeit mit einbeziehen, aber: Posting-Rechte nur an ein kleines Team geben, damit der rote Faden nicht verlorengeht
  • Geschichten erzählen (Storytelling)
Ich-kann-nicht-singen-Chor: Ohne Grenzen

Seit der ersten Chor@Berlin-Ausgabe 2011 hat der „Ich-kann-nicht-singen-Chor“ einen festen Platz im Festivalprogramm. Hier sind alle eingeladen, sich stimmlich auszuprobieren – auch und vor allem diejenigen, die überzeugt sind, nicht singen zu können. In diesem Jahr wurde der Teilnehmerchor wieder unterstützt durch den Begegnungschor Berlin, der BerlinerInnen und vormals Geflüchtete musikalisch zusammenbringt. Unter der Leitung von Michael Betzner-Brandt und Bastian Holze erklangen Lieder aus allen Teilen der Welt sowie Bearbeitungen von deutschen Klassikern wie „Die Gedanken sind frei“.